Freitag, 1. März 2013
Über die Angst, das Loslassen und die Seele
Gerade sitze ich hier in der Notaufnahme im Krankenhaus. Ist nicht alles was wir empfinden Gewohnheit Willkür? Unser Gehirn sieht etwas als dem Normalzustand an und Abweichungen von diesem erzeugen Schmerz. Warum erzeugt es in mir so ein starkes Unwohlsein, wenn ich dran denke, dass mir bald der Bauch aufgeschnitten und der Darm herausgeholt und entzwei geschnitten und wieder zugenäht wird?
Ist es die Angst kaputt zu gehen, möglicherweise zu sterben? Ist es die Angst das durch eine Veränderung an meinem Körper auch ich mich unwiederbringlich ändern könnte? Können Körper und Geist getrennt voneinander existieren? Wie sehr kann der Körper eines Menschen in Mitleidenschaft gezogen werden ohne dass es ihn auch charakterlich verändert? Was soll dieser Charakter überhaupt sein. Er ist doch eher etwas wie das Ich, dass gar nicht fest und fassbar, sondern fließend, in ständiger Bewegung ist. Was aber erzeugt dann diese Angst. Ist es einfach nur die Angst vor der Veränderung? Manchmal, wenn ich mich ausgeglichen, von Kraft und Verbindung erfüllt fühle, scheint es mir gar nicht so wichtig, wie es mit selbst geht, sondern ich sehe mich vielmehr als Teil des Ganzen. Mein Ich, mein Geist fühlt sich dann mehr vom Körper, vom weltlichen losgelöst. Ist das die Seele? Dieser Teil des Menschen, der nicht auf seine Körper angewiesen ist?
Vielleicht ist es ja so, dass dieser Teil des Ichs zwar unsterblich, nicht aber zu Gefühlen fähig ist. Er kennt nur den Einklang, die Harmonie, das Einssein. Für Gefühle wie Wut, Trauer, Angst, Freude, müssen wir uns loslösen aus dem Ganzen, müssen uns ein Ichgefühl, ein Selbstbewusstsein schaffen. Vielleicht sind wir auf der Erde um solche Erfahrungen zu sammeln. Um unseren Geist, unsere Seele zu bilden, zu lernen.
Wenn ich in diesem losgelösten Zustand bin, dann scheint es mir für die innere Ausgeglichenheit nicht wichtig, ob mein Körper im Normalzustand oder ob er beschädigt ist. In diesem Zustand stehe ich gewissermaßen über allem Weltlichen.
Aber wie ist das mit Menschen, deren Gehirn geschädigt ist. Offensichtlich verändert sich auch deren Verhalten, das was wir normalerweise Charakter nennen. Ändert das dann auch etwas am Geist, an ihrer Seele?

Wenn sich jemand an meinem Körper zu schaffen macht, dann ist das oft mit einem Gefühl der Hilflosigkeit, der Ohnmacht verbunden. Es ist als ob man in mir, meinem Selbst, herumpfuschen würde. Jemand durchdringt meine innerste weltliche Schutzhülle, dringt in mich ein.
Und was ist die einzige Möglichkeit sich dieser Ohnmacht zu entledigen? Ich denke es ist das oben beschriebene loslassen, entweltlichen. Einzusehen, dass niemand je meine Seele berühren kann, wenn ich das nicht zulasse. Loslassen ist der Weg zur Rettung, nicht kämpfen. Zumindest der Weg zu dieser Art von Rettung.
Ich denke nicht, dass für das zu kämpfen, was einem wichtig ist falsch ist. Aber die Frage ist glaube ich wie ich kämpfe. Kämpfe ich aus Angst mein Leben zu verlieren, oder kämpfe ich aus Liebe zum Leben und zur Liebe und bin bereit mein Leben zu geben um der Liebe Willen?

Nachdem Ich im CT war, war ich wieder sehr angespannt und mir ist ziemlich kalt geworden. Das Gefühl, dass es gleich losgeht und ich nicht weiß, was auf mich zukommt, ist schwer zu ertragen. Ich würde gerne mit einem Arzt (oder irgendwem) darüber sprechen, aber für solche Gespräche haben die Ärzte hier keine keine Zeit. Wenn mich die Angst überkommt, dann kann ich auch gar nicht mehr klar denken bzw eher nicht mehr klar erkennen, was in mir vorgeht. Ich kann mich fast nur noch auf meinen Körper konzentrieren und alles seelische, meditative ist in diesem Zustand schwer zugänglich. Jetzt werde ich versuchen mich einfach noch ein bisschen zu entspannen und zu meditieren. Aber ich bin mir sicher, dass wenn es losgeht die Angst sofort wieder da ist.
Ich frage mich wirklich, vor was ich genau solche Angst habe. Ist es die Angst davor, dass ich gesund in die OP gehe und mit schaden wieder herauskomme. Ist das Problem, dass ich in dem Moment noch nicht darauf eingestellt habe, das WIRKLICH etwas passieren könnte? Ist es die Angst vor der Unvorhersehbarkeit des Lebens. Ich glaube auf jeden Fall, dass die Angst tief sitzt und nichts speziell mit der OP zu tun hat. Kommt die Angst aus der Fokussierung auf die Zukunft? Kommt sie vom "im morgen leben"? Sie verschwindet nämlich in der Konzentration auf das Hier und Jetzt, im Bewusstsein dafür, dass das Jetzt zählt und die Zukunft in Gott Hand liegt. Sie entsteht wohl aus einem Bedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle. Ich krallen mich fest an meinem Leben, wie es jetzt ist. Ich habe Angst eine Bereich zu betreten, aus dem es kein Zurück mehr gibt in den jetzigen Zustand. Ich will eine Absicherung jeder Zeit zurück zu können, eine Rettungsseil. Es ist wie so oft die Angst vor dem Loslassen, dem Akzeptieren, dass der Zustand jetzt nur ein möglicher unter vielen ist und dass die anderen nicht besser oder schlechter, sondern eben anders sind. Es ist die selbe Angst die uns nach immer mehr Wohlstand streben lässt. Die Angst vor dem Absturz, dem Zurückfallen, dem "schlechter sein", den Anschluss zu verlieren, überhaupt etwas zu verlieren, nicht mehr normal zu sein, anders zu sein.

Und wie einfach scheint es doch dieser Angst zu entkommen, sie zu durchschauen, und wie schwer ist es doch zugleich ihr fern zu bleiben. Wie leicht lassen Schmerzen, Worte und Taten sie doch wiederkehren. Die Erkenntnis, das Verständnis der Angst mag sie nur kurzfristig zu bändigen. Es ist ein ewiger Kampf. Man vertreibt sie und sie kommt wieder. Ich glaube man sollte die Vorstellung aufgeben sie jemals besiegen zu können. Wir müssen lernen mit ihr zu leben. Denn liegt in der Vorstellung sie zu besiegen nicht schon wieder selbst der Blick nach vorne. Leben wir damit nicht schon wieder „im morgen“ und damit in er Angst? Können wir die Angst also nur überwinden, indem wir sie als Teil von uns akzeptieren.?

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