Dienstag, 2. Dezember 2014
Gedanke des Tages
Gestern hat mir jemand erzählt, dass er als Schüler mit seiner Klasse einmal in Taize war und die Atmopshäre des Gebetes dort als bedrohlich wahrgenommen hat. Er meinte, er hatte den Eindruck, dass dort eine Stimmung war, wo sich im prinzip jeder nach vorne stellen und eine Rede über was auch immer er wollte hätte halten können und alle hätten ihm zugestimmt. Er sagte weiter, er hatte damals den Eindruck, dass das gar nicht mehr er war, der da saß, dass er irgendwie in der Masse untergegangen war.
Ich fand das sehr interessant, weil ich bisher noch von niemandem gehört hatte, der das Gebet in Taize auf diese Art als bedrohlich wahrgenommen hatte. Ich kann mir aber vorstellen, dass diese Atmopshäre auf eine Art kraftvoll, voller Potential ist (weil ich es auch so erlebt habe) und dass es ihn beunruhigt hat, nicht zu wissen, zu welchem Zweck dieses Potential genutzt wird – vielleicht auch zu spüren, dass es sowohl zum Wohle der Menschen, als auch zu deren Manipulation genutzt werden könnte.
Ich glaube, dass es gut gewesen wäre, nicht nur zum Gebet zu kommen, wie es dir Lehrerin mit den Schülern gemacht hatte, sondern auch am Leben in Taize teilzunehmen. Durch das gemeinsame Leben – besonders durch das sprechen über die eigenen Erfahrungen in den Kleingruppen – kann nämlich, glaube ich, erst eine Verbindung, ein Vertrauen zu den anderen Anwesenden entstehen und ich kann mir über deren Motive und Ziele klar werden und auch über meine Befürchtuungen sprechen. Dadurch, dass diese Kinder damals aber nur zum Gebet kamen, ohne irgendeine Verbindung und Vertrauen in die Menschen, mit denen sie zusammen beten und auch danach nicht die Möglichkeit angeboten bekamen, über ihre Erfahrungen zu sprechen, konnten auch Ängste nicht ausgedrückt werden, was diese denke ich noch verstärkt.

Vorhin kam mir der Gedanke, dass es ja eigentlich immer so ist. Vor einer großen Macht fürchtet man sich, wenn man sich ihrer Motive unsicher ist, oder sie den eigenen entgegenstehen und man fühlt sicher sicher und geborgen, wenn man in den Machthaber vertrauen hat und glaubt, dass seine Ziele nicht nur zu seinem eigenen Nutzen, sondern zum Nutzen aller sind. So war es dann wohl auch in Taize – das Potential war einschüchternd, weil er nicht wusste, was die Motive und Werte der Brüder sind.
Dann musste ich an den Gott des alten Testamentes denken. Er wird ja oft auch als zornig und richtend dargestellt. Ist es dann nicht möglich, dass auch die Menschend damals Gott gefürchtet haben, weil sie ihn noch nicht gut kannten, sie noch nicht genug vertrauen hatten? Vielleicht musste ja auch die Beziehung zu Gott entwickeln. Gott war immer der gleiche, liebende Gott, aber die Menschen haben ihn anfangs noch anders wahrgenommen. Das Problem scheint mir ja in der Gewalt und dem Leid zu liegen, das auf der Erde herrscht und das mit dem Bild eines liebenden Gottes nur schwer vereinbar scheint. Jesus sagt: “Mein Reich ist nicht von dieser Welt” – ein jenseitiges Reich also (was auch immer genau jenseits heißen soll). Vielleicht ist es auch so mit dem liebenden Gott und dem Leid. Das Leid ist hier, diesseits, die Liebe Gottes aber ist jenseits. Und Jenseits und Diesseits berühren sich im Menschen (und ich denke auch in allen Dingen die sind). Der Mensch ist ein Wesen zweier Welten. Nicht erst nach dem Tod tritt der Menschn ein in das Jenseits, sondern schon zu Lebzeiten hat er daran Anteil. Aber die Liebe Gottes ist jenseitig und durch den Menschen und alle Dinge tritt sie ein ins Diesseits. Aber es ist an uns unsere Taten davon leiten, uns davon füllen und andere daran teilhaben zu lassen. So haben damals vielleicht auch die Menschen des alten Testaments diese beiden Qualitäten nicht unterschieden und haben Gott deshalt als zornig und richtend empfunden, weil sie das Leid mit ihm in Verbindung gebracht haben.
Damit will ich nicht sagen, dass Gott nicht richtet, aber ich denke, wenn man dieses Richten im Licht der Liebe betrachtet, dann ist die Vergebung das Wesentliche, nicht mehr das Urteil und das wollte Jesus denke ich mit seinem Leben ausdrücken.

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