Freitag, 26. Juli 2013
Siddhartha lauschte. Er war nun ganz Lauscher, ganz ins Zuhören vertieft, ganz leer, ganz einsaugend, er fühlte, dass er nun das Lauschen zu Ende gelernt habe. Oft schon hatte er all dies gehört, diese vielen Stimmen im Fluss, heute klang es neu. Schon konnte er die vielen Stimmen nicht mehr unterscheiden, nicht frohe von weinenden, nicht kindliche von männlichen, sie gehörten alle zusammen, Klage der Sehnsucht und Lachen des Wissenden, Schrei des Zorns und Stöhnen der Sterbenden, alles war eins, alles war ineinandern verwoben und verknüpft, tausendfach verschlungen. Und alles zusammen, alle Stimmen, alle Ziele, alles Sehnen, alle Leiden, alle Lust, alles Gute und Böse, alles zusammen war die Welt. Alles zusammen war der Fluss des Geschehens, war die Musik des Lebens. Und wenn Siddhartha
aufmerksam diesem Fluss, diesem tausendstimmigen Liede lauschte, wenn er nicht auf das Leid noch auf das Lachen hörte, wenn er seine Seele nicht an irgendeine Stimme band und mit seinem Ich in sie einging, sondern alle hörte, das Ganze, die Einheit vernahm, dann bestand das große Lied der tausend Stimmen aus einem einzigen Worte, das hieß Om: die Vollendung.

Aus Siddhartha von Hermann Hesse, Kapitel: Das Om

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Mittwoch, 24. Juli 2013
"Wissen kann man mitteilen, Weisheit aber nicht. Man kann sie finden, man kann sie leben, man kann von ihr getragen werden, man kann mit ihr Wunder tun, aber sagen und lehren kann man sie nicht. [...] Von jeder Wahrheit ist das Gegenteil ebenso wahr! Nämlich so: eine Wahrheit lässt sich immer nur aussprechen und in Worte hüllen, wenn sie einseitig ist. Einseitig ist alles, was mit Gedanken gedacht und mit Worten gesagt werden kann, alles einseitig, alles halb, alles entbehrt der Ganzheit, des Runden, der Einheit. Wenn der erhabene Gotama (Buddah, Erleuchtete) lehrend von der Welt sprach, so musste er sie teilen in Sansara und Nirwana, in Täuschung und Wahrheit, in Leid und Erlösung. man kann nicht anders, es gibt keinen anderen Weg für den, der lehren will. Die Welt selbst aber, das Seiende um uns her und in uns innen, ist nie einseitig. Nie ist ein Mensch, oder eine Tat, ganz Sansara oder ganz Nirwana, nie ist ein Mensch ganz heilig, oder ganz sündig. Es scheint ja so, weil wir der Täuschung unterworfen sind, dass Zeit etwas Wirkliches sei. Zeit ist nicht wirklich, Govinda, ich habe dies oft und oft erfahren. Und wenn Zeit nicht wirklich ist, so ist die Spanne, die zwischen Welt und Ewigkeit, zwischen Leid und Seligkeit, zwischen Böse und Gut zu liegen scheint, auch eine Täuschung.

Aus 'Siddhartha' von Hermann Hesse, Kapitel: Govinda

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Mittwoch, 13. März 2013
Zitatsammlung [Gandhi]
Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier.

Auge um Auge - und die ganze Welt wird blind sein.

Es gibt keinen Weg zum Frieden, denn Frieden ist der Weg.

Geburt und Tod sind nicht zweierlei Zustände, sie sind zwei Aspekte desselben Zustands.

Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünscht für diese Welt.

Wer sich für das Leben und Wirken Gandhis interessiert, dem kann ich den Spielfilm Gandhi sehr empfehlen.

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Sonntag, 10. März 2013
Über die Wahrheit und die Lehre [Hermann Hesse]
„Ach, wenn man doch wissend werden könnte!“ rief Knecht. „Wenn es doch eine Lehre gäbe, etwas, woran man glauben kann! Alles widerspricht einander, alles läuft aneinander vorbei, nirgends ist Gewissheit. Alles lässt sich so deuten und lässt sich auch wieder umgekehrt deuten. Man kann die ganze Weltgeschichte als Entwicklung und Fortschritt auslegen und kann ebensowohl nichts als Verfall und Unsinn in ihr sehen. Gib es denn keine Wahrheit? Gibt es keine echte und gültige Lehre?“
Der Meister hatte ihn noch nie so heftig reden hören. Er ging eine Strecke weiter, dann sagte er: „Es gibt die Wahrheit mein Lieber! Aber die 'Lehre', die du begehrst, die absolute, vollkommen und allein weise machende, die gibt es nicht. Du sollst dich auch gar nicht nach einer vollkommenen Lehre sehnen, Freund, sondern nach Vervollkommung deiner selbst. Die Gottheit ist in dir, nicht in den Begriffen und Büchern. Die Wahrheit wird gelebt, nicht doziert. Mache dich auf Kämpfe gefasst, Joseph Knecht, ich sehe wohl, sie haben schon begonnen.“

Hermann Hesse, das Glasperlenspiel, S.85 f, ISBN: 3-518-39072-4

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Sonntag, 3. März 2013
Über den Tod [Hannah Arendt]
"Beklage dich nicht wenn etwas genommen wird, das dir gegeben war, das du aber nicht notwendigerweise besaßt. Und vergiss nicht, um genommen zu werden muss es erst gegeben werden. Wenn du zu besitzen glaubst, wenn du vergessen hast, dass es gegeben war, dann ist es eben schlimm für dich."

Hannah Arendt, Brief an Mary McCarthy vom 22.Januar 1972, S.442

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